Zum 100sten Geburtstag eine Neuausgabe: Der Komödiant, der Theatergeschichte schrieb, der ehemalige Kommunist, der sich zeit seines Lebens für Flüchtlinge und Kinder in armen Weltregionen einsetzte und der Jude, der Wien verlassen musste und erst über Umwege seinen Weg zurück nach Österreich fand. Und berühmt wurde. Er arbeitete mit Brecht, Eisler und Tabori. Ein Dreiviertel-Jahrhundert Theater- und Zeitgeschichte, erzählt von einem großen Schauspieler und unbeirrbaren Menschenfreund. Zum 100. Geburtstag erscheinen Otto Tausigs Memoiren erneut.
»Ich habe Glück gehabt in diesem Leben. Wie oft könnte ich schon tot sein! Hitler, Krieg und Herzinfarkt und immer noch bin ich da und erzähle mein Leben ?
Gleich am Anfang hatte ich das Glück, in Wien geboren zu sein, und nicht in einem Slum in Bombay. Und dann, dass ich im Februar 1922 geboren bin. Nur zwei Monate früher und ich hätte 1939 nicht mehr mit einem Kindertransport nach England entkommen können. Wäre ich andererseits ein paar Jahre später geboren, hätten sich meine Eltern sicher nicht getraut, ein so kleines Kind allein in die weite Welt zu schicken. Und ob wir zu dritt nach Shanghai gekommen wären, weiß ich auch nicht. Meine Mutter hat gesagt, sie hätten gerade noch die letzten zwei Karten für die Überfahrt bekommen. Vielleicht wären wir umgekommen wie die Großeltern. Und dann hatte ich das Glück, Jude zu sein, also gar nicht in Versuchung zu kommen, am Wiener Heldenplatz »Sieg Heil« zu schreien, für den Führer in den Krieg zu ziehen und in Russland zu krepieren wie der Bruder meiner Frau ?«