Diese Geschichte beginnt nicht mit Ettore Tolomei, und schon gar nicht ist sie mit seinem Tod zu Ende.
Die umstrittene Person des Ettore Tolomei (1865-1952) und seine sperrige - geistige, aber vor allem materielle - Hinterlassenschaft haben in dem Land, für das er offiziell die italienische Bezeichnung geschaffen hat, immer wieder zu Konflikten und Irritationen, ja sogar zu aufsehenerregenden Anschlägen geführt. Dabei ist das Schicksal Südtirols untrennbar mit dem politischen und persönlichen Werdegang des Trentiner Geografen verbunden, der vom Irredentisten zum Anhänger des Faschismus wurde und stets von glühendem Nationalismus mit teils fanatischen Zügen beseelt war. Als Senator und Vorreiter der forcierten Italianisierung Südtirols konnte er ab Anfang der 1920er-Jahre unter anderem die bereits 1906 - also lange vor dem Vertrag von Saint-Germain und der Machtübernahme Mussolinis - begonnene Ausarbeitung der italienischen Toponomastik abschließen, die ihre Krönung im berühmten Prontuario fand, das in der Folge ständig aktualisiert und neu aufgelegt wurde. Diese Toponomastik gilt heute noch und schürt immer wieder den alten Streit oder dient als Vorwand, um jeden Versuch eines echten Zusammenlebens zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen zu untergraben.
Als bisher einzige Tolomei gewidmete Monografie rekonstruiert dieses Buch akribisch die turbulente Biografie eines Mannes, der Ausdruck seiner Zeit war, gleichzeitig aber auch emblematisch für den Nationalismus aller Zeiten und Orte steht. Es spürt einer komplexen Persönlichkeit nach, in der sich die wichtigsten Ereignisse der Geschichte eines Landstrichs widerspiegeln, der Schauplatz nie ganz überwundener Konflikte war.