»Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns.« (1 Joh 1,8)
Auch wenn Schuld und Sünde genuin menschliche Erfahrungen sind, die ausnahmslos jeden betreffen, gestaltet sich der Umgang mit dem eigenen schuldig sein bzw. immer wieder schuldig werden sehr unterschiedlich: Für manche ist die Erkenntnis der eigenen Schuld eine belastende, aber nicht ausweglose Situation, für andere eine lähmende Erfahrung und wieder andere flüchten sich in Verdrängung und Leugnung. In der Geschichte der Kirche wurde immer wieder festgestellt, dass das eigene Be- und Anerkennen der Schuld notwendige Voraussetzung für Heilungs-, Vergebungs- und Versöhnungsprozesse sind.
Auch der Mensch der Gegenwart hat ein Gespür für Schuld und Unheilsituationen, wie sich etwa an den Protesten rund um den Klimawandel oder die Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt durch die westlichen Zivilisationen zeigt. Die kirchliche Vergebungspraxis, die innerhalb der katholischen Kirche mit der Beichte sogar ein eigenes Sakrament besitzt und damit in besonderem Maße auf Schulderfahrungen spezialisiert zu sein scheint, zieht er allerdings immer seltener zu Rate, wenn es um Vergebung, Versöhnung und Verzeihen geht.
Dass dies nicht immer so war, zeigt ein Blick in die Kirchengeschichte. Der vorliegende Band versucht Ursachen und Gründe für diesen Wandel zu ergründen und fragt außerdem worin sich (sakramentale) göttliche Vergebung von rein zwischenmenschlichen Mitteln und Wegen der Versöhnung unterscheidet und welche Perspektiven sich daraus für die kirchliche Verkündigungspraxis ergeben.