Widerstreit, Gegenrede und Opposition sind Bestandteil einer demokratischen Kultur. Was aber, wenn ewig Gestrige und verquert Heutige als neue deutsche Wut-Gemeinschaft im "Namen der Demokratie" gegen eine "Corona-Diktatur" auf die Straße gehen? Bei aller berechtigten Kritik an politischen Maßnahmen: der Wutmensch ist der politische Phänotyp der Stunde. Nichts hat er gemein mit den Widerstandskämpfern gegen die Nazi-Diktatur, nichts mit den mutigen Menschen in vielen Teilen der Welt, die gegen Menschenrechtsverletzung, Wahlfälschung und Korruption trotz Polizei- und Militärterror auf die Straße gehen. Es gilt, die offene Gesellschaft gegen ihre falschen Freunde und richtigen Feinde zu verteidigen. Gegen politischen Fanatismus und religiösen Wahn, gegen Geschichts-Vergessenheit und Wirklichkeits-Verleugnung, gegen die Todesstrafe - auch in westlichen Gesellschaften wie den USA - sowie gegen eine Politik, die Aufrüstung und kriegerische Konflikte fördert.
Helmut Ortners "kluge Zeit-Diagnosen und pointierten Zeit-Reflexionen" (Focus) zeigen eindrucksvoll: unsere Demokratie ist auf Konsens angelegt, aber sie lebt immer auch von Gegenrede und Widerstreit. Sie sind der Sauerstoff für die Demokratie.