1981 wird in der DDR ein junger Student der Zahnmedizin bei Vorbereitungen zur Republikflucht gefaßt und kurz darauf zu zwanzig Monaten Haft verurteilt. In der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg-Görden gerät er in eine ihm völlig fremde Welt von Schwerverbrechern. Da er sein Studium bereits abgeschlossen hatte, darf er nach einiger Zeit im Haftkrankenhaus arbeiten. Dabei hat er keine Wahl: Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder werden zu seinen Patienten und helfen ihm als Assistenten im Behandlungszimmer. Dieser Welt, die von der Öffentlichkeit streng abgeschirmt war, nähert sich Roland Garve mit Neugier und Abscheu zugleich. Er gefällt sich nicht in der Rolle des Opfers, sondern nutzt die Gelegenheit, Umwelt und Mitgefangene zu beobachten. Seine präzise, lakonische und teilweise auch humorvolle Erzählweise zieht den Leser in den Bann der Ereignisse und zeigt neben der alltäglichen Brutalität auch die tragikomischen Seiten des Haftdaseins genau wie das Bemühen, Menschlichkeit zu bewahren.
Die von einem Mediziner geforderte Fähigkeit, einen Patienten genau zu untersuchen und das Gesehene, Gefühlte und Gehörte nachvollziehbar niederzuschreiben, Garve beherrscht sie. Der hier untersuchte "Patient" ist allerdings eine Haftanstalt mit mehreren tausend Insassen, ein vielfach verschachtelter Komplex, in dem sich die Schicksale der dort Lebenden zwanghaft miteinander verbinden, in dem sich skurrile und absurde Ereignisse abwechseln mit grausamen und abscheulichen. F.A.Z. Roland Garves Darstellung ist auch deshalb so authentisch, weil er die Vorgänge aus dem Blickwinkel des damals Inhaftierten darstellt und viele Begebenheiten in wörtlicher Rede im entsprechenden Knastjargon wiedergibt. Die Beschreibung seiner Leidensgenossen ist weit entfernt von politischer Idealisierung oder moralischer Empörung. Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat Garves autobiografischer Bericht läßt selbst den vermeintlich Wissenden schaudern. In der Retrospektive hat er alle Details ins Gedächtnis zurückgerufen, die er während der Haftzeit nicht festhalten konnte, hat Schicksale, Schikane, vertane Biografien wie bleierne Perlen auf eine Kette gezurrt, die jedem fröhlichen Nostalgiker schwer am Hals hängt. Potsdamer Neueste Nachrichten