Die Elektrizität hat um die Mitte des 18. Jahrhunderts alle anderen Fragen der Physik in den Hintergrund treten lassen und für einige Jahre die Öffentlichkeit in ihren Bann gezogen. Nie zuvor waren die gefährliche Kraft des elektrischen Feuers und seine bizarren Eigenschaften so eindrucksvoll demonstriert worden. Die experimentierenden Physiker standen im Rampenlicht einer Öffentlichkeit, die immer neue Spektakel verlangte, die von den phantasievollen Naturkundigen bereitwillig in Szene gesetzt wurden. Die Messestadt Leipzig war ein Glücksfall für ein Zusammentreffen vieler Faktoren, die die Aufmerksamkeit auf elektrische Darbietungen lenkten und ohne Zeitverzug in alle Winkel Europas verbreiteten. Aber wo endet Wissenschaft und wo beginnt Scharlatanerie?
Über diese Frage gerieten zwei bekannte Experimentatoren, die Professoren Johann Heinrich Winckler in Leipzig und Georg Matthias Bose in Wittenberg heftig aneinander. Die jahrelangen Anfeindungen kulminierten 1747 in einer Klageschrift Wincklers an den Kurfürsten von Sachsen mit dem Verlangen nach Satisfaktion. Das devote Deutsch des kurfürstlichen Verwaltungsaktes und der Vorreden in Buchveröffentlichungen drohte das schnörkellose der Wissenschaft zu ersticken, das als aufgeklärtes Pflänzchen im engen Korsett der Ständegesellschaft zu wachsen versuchte.
Da die Wissenschaftler noch nicht messen konnten, registrierten sie lediglich Effekte wie Funken, Blitze und schmerzhafte Empfindungen und spekulierten über imaginäre Teilchen eines elektrischen Feuers. Die Leidener Flasche, die Elektrizität speicherte, wird eine auf Messungen beruhende Wissenschaft einleiten, aber sie war wegen ihrer Kapazität so gefährlich, dass ernsthafte Wissenschaftler vom Leichtsinn öffentlicher Vorführungen Abstand nahmen.
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